Täter und Opfer

Ich habe mich im Laufe meiner Karriere immer wieder gefragt, wie das Verhältnis zwischen Tätern und Opfern zustande kommt, wie diese beiden Persönlichkeitstypen aussehen, wie sie sich verhalten und wie es dazu kommt, dass Täter Täter werden und Opfer Opfer. Um das analysieren, beobachten und verstehen zu können, studierte ich Psychologie, arbeitete in den Bereichen, in denen ich mit Opfern und Tätern in engen Kontakt kam und begann, diese Verhaltensmuster bei mir selbst zu erfahren und bewusst zu machen.

Ich war selbst Täter in Beziehungen und ebenso war ich Opfer in Beziehungen. Als Täter manipulierte ich, ging über Grenzen des anderen, bestimmte über den anderen und übernahm damit zu viel Verantwortung für den anderen, nutzte meine Macht und die Ohnmacht meines Gegenübers aus. In diesem Falle verhielt sich mein Gegenüber so, dass dieser es zuließ, dass ich über Grenzen gehe. Er schob Verantwortung von sich weg, in dem er mich über ihn bestimmen ließ und sich somit in eine Opferposition brachte, von der er sämtliche Schuld auf mich schieben konnte. Es war das Pendant zum Täter.

Als ich Opfer war, fühlte ich mich entmachtet, ausgeliefert, wertlos, beschämt, ängstlich und wurde damit zur Zielscheibe für jeden, der wie ich zuvor, über Grenzen anderer geht und andere für seine Bedürfnisse missbraucht.

Das, was Täter und Opfer gemeinsam haben ist das Thema Verantwortung. Beide übernehmen kein Verantwortung für ihr Tun bzw. Nichttun und schieben diese auf das Opfer im Sinne von „der oder die hat es selbst provoziert“ oder auf den Täter „der oder die hat mir das angetan“.  Menschen, die Täter werden, waren als Kind meist selbst in irgend einer Form Opfer. Jeder war irgendwann Opfer, als er in einem Abhängigkeitsverhältnis der Eltern stand. Tätersein ist lediglich die Kompensation/der Gegenpol des Opferseins. Jeder kann entscheiden, ob er mutig genug ist, sich seine Wunden, Traumatisierungen anzuschauen, um sie fühlend zu erlösen, oder weiter auf Mitmenschen zu projizieren, sein Herz kalt zu lassen, um diese Ohnmacht nicht fühlen zu müssen, die einst die Kindheit prägte.

Auch Menschen, die in ihrer Opferrolle verharren, ohne Verantwortung für sich zu übernehmen, projizieren auf andere und haben damit eine unglaubliche Macht über andere. Beide Persönlichkeitstypen haben eins gemeinsam, wenn sie sagen: „Ich kann doch nichts dafür.“ Und jeder hat immer wieder die Möglichkeit, sich aus diesen Schuldthemen zu befreien, wenn er denn möchte.

Es gilt das Prinzip der Resonanz. Wenn ich die Themen gelöst habe, selbst meine Macht nicht mehr missbrauche, selbst nicht über meine eigenen Grenzen und die anderer gehe, mich selbst nicht mehr klein mache, sondern schütze, mich selbst nicht mehr ausliefere, werde ich weder Täter, noch Opfer. Solange ich andere immer noch gefühlt mächtiger, als mich selbst erlebe, gebe ich anderen immer wieder die Möglichkeit über mich zu bestimmen und mich zum Opfer zu machen.

Sobald jeder anfängt, seine eigene Macht, sein Schöpfersein, sein Dasein zu leben, ohne dabei andere zu missbrauchen, gibt es keine Energie mehr, die Täter zu Tätern macht und Opfer zu Opfern. Das, was uns ausmacht und verbindet, sind die Gefühle die wir fühlen, der reine, verletzliche und liebevolle Kern, der uns Mensch sein lässt, wenn wir verstehen, dass wir mehr sind, als das, womit wir uns identifizieren.

Und das bedeutet nicht, dass wenn ich das für mich lebe, es auch von anderen zu verlangen bzw. wieder zu projizieren, in dem ich sage: „Das müssen dann aber alle anderen auch leben und verstehen.“ Nein, der Frieden beginnt immer in uns selbst und beginnt damit, andere so zu lassen wie sie sind, meine eigenen Grenzen, meinen eigenen Wert zu definieren und diesen Bereich zu schützen und mich trotzdem für diejenigen zu öffnen, die bereit dafür sind.

Der Schlüssel liegt in der Vergebung. Als Opfer muss ich denjenigen vergeben, durch die ich Verletzungen erfahren habe. Und als Täter muss ich diejenigen um Verzeihung bitten, denen ich Verletzungen zugefügt habe. Nur so können wir uns von Karma und vom Täter-Opfer-Spiel befreien.

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